Moslemfeindlichkeit und Antisemitismus
Vergleiche hier, vergleiche dort. Sie sind nützlich. Es ist auch nützlich, unterschiedliche Ressentiments miteinander zu vergleichen, z.B. Die Moslemfeindlichkeit mit dem Antisemitismus. Das Ergebnis eines Vergleichs ähnlicher Dinge ist immer die Erkenntnis, dass es Gemeinsamkeiten, aber eben auch Unterschiede gibt. Logisch.
Falsch ist es jedoch, aus welcher Motivation heraus auch immer, derartige Vergleiche anzustellen, um primär die Gemeinsamkeiten zweier Phänomene in den Vordergrund zu stellen. Dies kann, ob beabsichtigt oder nicht, dem Zweck der Gleichsetzung dienen. Beispielsweise um andeuten zu können: “Seht her, das ist ja das selbe! Das eine genau so schlimm wie das andere!” Dies kann in mehrlei Hinsicht gefährlich sein. Einerseits besteht die Gefahr einer niedrigschwelligen Verharmlosung. Zudem kann eine Ineinssetzung suggerieren, dass sich auch der Umgang mit den problematisierten Ressentiments gleichen müsse. Bei genauerer Betrachtung jedoch unterscheiden sie sich in einigen derjenigen Punkte, die Aufschluss darüber geben, mit Wem man es zu tun hat, was er will, und mit welchen Strategien man ihm begegnen sollte. Ebenso wichtig sind daher die Unterschiede zwischen den Phänomenen.
Ein Vergleich ist also gut und richtig, um Feindbildkonstruktionen zu erforschen, schlicht damit das neu aufgetretene Feindbild überhaupt als solches erkannt wird. Gleichsam ermöglicht der Vergleich jedoch, was nicht weniger wichtig ist, auf elementare Unterschiede hinweisen zu können. Beispielsweise bezüglich der Motivation des Täters:
- Unterstellt man Antisemiten die gleichen Motivationen wie Moslemfeinden, dann unterstellt man ihnen damit, sie würden Juden lediglich hassen, solange sie in Deutschland anwesend sind. Eine Ausreise würde demnach genügen, um den Hass abzubauen. Das wäre eine grobe Verharmlosung des Antisemitismus, denn der Antisemitismus richtet sich gegen Juden, weil sie existieren.
- Unterstellt man umgekehrt Moslemfeinden eine Motivation, die der des Antisemiten gleicht, dann unterstellt man ihnen wiederum, über einer Milliarde Menschen übel zu nehmen, dass sie existieren. Dies wäre eine Übertreibung, die den Antisemitismus wie ein vernachlässigbares Phänomen erscheinen lässt. In der Praxis zeigt sich, dass Moslemfeinde überhaupt keine derartigen Ambitionen hegen. Ganz im Gegenteil.
Ergebnis dieses Vergleichs:
Trotz Ähnlichkeiten bezüglich der Feindbildkonstruktion verbietet sich eine Gleichbehandlung bezüglich der Motivationslage kategorisch.
Gewaltbereiter Islamismus und Faschismus
In einer anderen Weise kann auch der Vergleich zwischen gewaltbereitem Islamismus und dem Faschismus schwierig sein, der ganz gerne mal die Runde macht. Es lassen sich Ähnlichkeiten im Konstrukt ausmachen, ebenso jedoch auch Unterschiede, die darauf hindeuten, dass beide Phänomene nicht gleich behandelt werden können.
Mit diesem Thema beschäftigt sich der Artikel “Von Nazis und Islamisten”.
Es gibt Gemeinsamkeiten, die zeigen, dass ein Problem existiert:
Der gewaltbereite islamische Fundamentalismus macht mit dem Islam, was der Nationalsozialismus mit dem deutschen Patriotismus gemacht hat. Beide sind eine leichte Beute für Demagogen, denn es gibt keine allgemein akzeptierte Autorität, die über den richtigen, guten Patriotismus oder Islam entscheidet. Beide scheren sich nicht um das Leben ihrer Anhänger. Beide fühl(t)en sich gedemütigt, bedrängt, sehn(t)en sich nach dem Retter. Beide kultivier(t)en in diesem Klima den Hass auf die Juden. Beide bringen ein intellektuelles Klima hervor, in dem das Ressentiment blüht, der Dekadenzvorwurf, die Verschwörungstheorie, die Wahnidee von kultureller Reinheit, die Welteroberungsfantasie, apokalyptische Visionen und Ängste.
Aber auch wesentliche Unterschiede.
Vor einem neuen Faschismus hüten wir uns durch die Einhegung und politische Entschärfung patriotischer Gefühle, durch den weitgehenden Verzicht auf patriotische Diskurse als Mittel innenpolitischer Polarisierung.
Und dies funktioniere bei Religionen eben nicht, da Religiöse Identifikation inhaltlich über die nationale Identifikation hinausgeht, und in aller Regel nicht geographisch gebunden ist. Das ist nur einer der Unterschiede. Es gibt auch weitere, die im Artikel angedeutet werden.
Wer also glaubt, durch Begrifflichkeiten wie “Islamfaschismus” zu suggerieren, man könne den gewaltbereiten Islamismus auf eine Weise eindämmen, wie es mit dem Nationalsozialismus vorgemacht wurde, nämlich durch Aufgriff der Kriegsrethorik und der praktischen Demonstration der real vorhandenen militärischen Macht, läuft ebenso auf dem Holzweg wie jene, die glauben und behaupten, dass Moslemfeindlichkeit lediglich eine aktualisierte Form des Antisemitismus sei. Hätte die Gleichbehandlung einen realen praktischen Nutzen, dann wären sowohl Moslemfeindlichkeit als auch gewaltbereiter Islamismus bereits Themen für die Geschichtsbücher.
Was den Islamismus angeht, so bietet der Artikel dennoch Vorschläge.
Das Wohlstandsversprechen des Westens muss eingehalten werden, denn auch hierdurch definiert er sich gegenüber der (auch islamischen)Außenwelt. Wenn islamisch geprägte Staaten also, nachdem sie sich dem Westen (partiell) zuwandten, wirtschaftlich auf der Stelle treten und ihren ärmsten keinen im Vergleich zur vorherigen Situation bescheidenen Wohlstand bieten, wird dies in der Bevölkerung antiwestliche oder sogar islamistisch-extremistische Kräfte mobilisieren.
Für die Türkei hieße dies beispielsweise, dass im Rahmen des EU-Integrationsprojektes nicht Konzessionen bezüglich historischer Fakten zu den Dingen höchster Priorität gehören. Druck auf eine zukünftige türkische Regierung, einen klug definierten Teil der horrenden Militärausgaben sukzessiv zugunsten eines gerechteren Sozialsystems umzuschichten, könnte bei ärmeren Teilen der Bevölkerung bewirken, dass das pseudosoziale Gebaren von gewaltbefürwortenden Islamisten nicht auf fruchtbaren Boden trifft. Hierbei wäre jedoch auch zu beachten, welche Partei gerade die Regierung stellt, und wo sie der Bevölkerung gegenüber den Ursprung der sozialen Veränderung verortet.