“Antideutsche”? Wat is dat denn?

Anmerkungen zur praktischen Bedeutung eines Kampfbegriffs

Anti-Antideutsche Parole auf einer Webseite Freier Nationalisten

Ein Gespenst geht um in deutschen Internetforen, Blogs und Social Networks: das Gespenst des „Antideutschismus“.
Immer wenn irgendjemand kritische Anmerkungen zu verschwörungstheoretischen oder antisemitischen Thesen äußert, taucht seitens der Kritisierten früher oder später die Anschuldigung auf, der Betreffende sei wohl ein „Antideutscher“.
Offenbar soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß, wer den Antisemitismus kritisiert, in den Augen dieser Leute kein guter Deutscher sein kann.
Das Feindbild des bösen „Antideutschen“ findet sich sowohl im rechtsextremistischen Umfeld, etwa bei der NPD (N13, D17), als auch bei verschwörungsgläubigen Politsekten wie der BüSo (B25, S. 4ff) und den selbsternannten „Infokriegern“ der sogenannten „Wahrheitsbewegung“ (A24) bis hin zu sich als links verstehenden „antizionistischen“ und „antiimperialistischen“ Gruppierungen wie der „Arbeiterfotografie“ (A34) oder auch linksnationalistischen Querfront-Projekten wie Jürgen Elsässers „Volksinitiative“ (J10, J11).

Die wesentlichen Vorwürfe gegen die (oft als „krank“ und „pervers“ beschimpften) vermeintlichen „Antideutschen“ sind

  • mangelnde Treue zu Volk und Vaterland, also zu wenig Nationalismus:
    angeblich handelt es sich um Menschen, die ihre Heimat nicht genug lieben, ja sie sogar hassen, was sich darin ausdrücke, daß sie nicht nationalen Interessen dienten, sondern Handlanger volksfremder Mächte (womit Israel und die USA gemeint sind) und der internationalen Hochfinanz seien,
  • Bellizismus:
    angeblich handelt es sich um Verräter am grundsätzlich friedliebenden deutschen Volkscharakter, die die von volksfremden Mächten (siehe oben) betriebene weltweite Kriegstreiberei und imperialistische Eroberungspolitik befürworteten,
  • Linksextremismus:
    angeblich handelt es sich um gewaltbereite anarchistische Horden, die bei Demonstrationen gerne randalieren, Autos anzünden und Ruhe und Ordnung stören. Während dies bei Rechtsextremisten dem gängigen Klischeebild von der „roten Pest“ entspricht, versuchen jene Anti-Antideutschen, die sich selber als „links“ definieren, hier zu differenzieren, indem sie ihr Feindbild als „linksfaschistisch“ titulieren,
  • Philosemitismus, Rassismus, Islamophobie:
    angeblich handelt es sich um verblendet fanatische Israel-Unterstützer (vor der Gründung des Judenstaates hätte man diesen Vorwurf noch anders formuliert, da sprach man gerne von „Judenknechten“), was für die Anti-Antideutschen, die Israel gemeinhin als rassistischen Apartheid-Staat qualifizieren, nur ein Ausdruck einer schlimmen rassisitschen Gesinnung sein kann, ebenso wie das in ihren Augen mangelnde Verständnis für das emanzipatorische Potential des islamischen Fundamentalismus, das sie ebenfalls als Zeichen von Rassismus deuten, als ob der Islamismus eine „Rasse“ sei.

Das Feindbild "Antideutsche" richtet sich also gegen vermeintliche vaterlandslose Gesellen, Kriegstreiber im Dienst fremder Mächte, Chaoten und Unruhestifter sowie Handlanger jüdischer Vorherrschaft: lauter klassische antisemitische Klischees!

Hat dieses Feindbild überhaupt irgendeine reale Grundlage?

Tatsächlich gibt es eine zahlenmässig bedeutungslose, dem autonomen Spektrum zuzuordnende betont antinationalistische linksintellektuelle Strömung, die sich in den Jahren nach 1989 entwickelt hat und sich selbst als „antideutsch“ bezeichnet.
Pikanterweise gehörte der heutige Anti-Antideutsche Jürgen Elsässer vor seiner Bekehrung zum Linksnationalimus einst zu ihren Gründervätern und soll sogar der Erfinder des Begriffes „antideutsch“ gewesen sein, den er damals noch positiv verstand, als eine notwendige Absage an einen neuen Nationalismus. Mittlerweile hat er seine Ansichten bekanntlich gründlich geändert.
Die reale antideutsche Strömung versuchte sich angesichts der Wiedervereinigungseuphorie kritisch mit der Problematik des deutschen Nationalismus sowie der damals beobachtbaren Zunahme rassistischer Übergriffe auseinanderzusetzen. Im Rahmen ihrer Nationalismuskritik entwickelte sie auch eine Sensibilisierung gegenüber den eng mit dem Nationalismus zusammenhängenden Phänomenen Antisemitismus und Antiamerikanismus, die auch in Teilen des linken Spektrums verbreitet waren und sind, was zum Zerwürfnis der betroffenen traditionslinken Strömungen mit ihren „antideutschen“ Kritikern führte. Einige sich als „antideutsch“ verstehende Splittergruppen radikalisierten ihre Kritik am linken Nationalismus in Folge dieser Konflikte bis hin zu tatsächlich fragwürdig erscheinenden Positionen (vgl. H19 u. K27).
Der Kampfbegriff „antideutsch“ richtet sich aber bei weitem nicht nur gegen diese reale, praktisch jedoch bedeutungslose Minderheit. Meist wird der Vorwurf vielmehr gegenüber Personen und Gruppen laut, die keineswegs dieser Strömung angehören oder auch nur nahestehen. Oft ist den so Gescholtenen nicht einmal deren Existenz bekannt.
Denjenigen, die diesen Begriff als Schimpfwort im Munde führen, geht es ja auch keineswegs um

Anti-Antideutsche (mit Schildern) protestieren gegen VT-kritische 
linke Demonstranten

Anti-Antideutsche (mit Schildern) protestieren gegen VT-kritische linke Demonstranten

reale innerlinke Debatten und Richtungsstreitigkeiten. Von diesen haben sie auch in aller Regel kaum eine Ahnung, denn ihnen geht es um etwas anderes: ein griffiges Schlagwort zur Diskreditierung von Gegnern und Kritikern. Es geht ihnen nicht um eine differenzierte Analyse der Realität, sondern um die Erzeugung eines Feindbildes.
Da passt es ganz gut, daß sich selbst „antideutsch“ nennende Splittergruppen schon gelegentlich bei Demonstrationen linke Traditionalisten durch das Mitführen von Israel- und US-Flaggen irritierten und provozierten.
Da passt es auch ganz gut, daß die „antideutsche“ Strömung im Zusammenhang mit dem autonomen Spektrum auch schon mal in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde und dabei sogar von Gewaltbereitschaft die Rede war. In diesem Fall wird der Verfassungsschutzbericht auch gerne mal von Leuten zitiert, die sonst nicht so gut auf den Verfassungsschutz zu sprechen sind, weil sie in dessen Berichten ein paar Seiten weiter selber ausführlich Erwähnung finden.

Gegen wen wird das Schlagwort „antideutsch“ als Schimpfwort instrumentalisiert?

Hält seine Kritiker für Antideutsche: Vorzeigeantizionist Elias 
Davidsson

Hält seine Kritiker für Antideutsche: Vorzeigeantizionist Elias Davidsson

Das Urteil „antideutsch“ kann jeden treffen, der es wagt, sich öffentlich in irgendeiner Weise gegen Nationalismus, Rassismus, Verschwörungstheorien und Antisemitismus zu positionieren.
Es kommt vornehmlich aus dem Munde von Leuten, deren weltanschauliches Zentrum jene Spielart des Antisemitismus bildet, die sich selbst gerne als „Antizionismus“ bezeichnet. Diese bildet nämlich das gemeinsame Bindeglied zwischen „Antiimperialisten“ und „Friedensfreunden“ aus der rechten wie aus der linken Ecke bis hin zu jenen Vertretern des verschwörungstheoretischen Narrensaums, die von sich behaupten weder links noch rechts zu sein, sondern diese in ihren Augen unzeitgemässe und die Einheit der Volksgemeinschaft unnötig spaltende Unterscheidung hinter sich gelassen zu haben.

Antizionist Detlef Nolde (DVU): Die Parolen gleichen sich!

Antizionist Detlef Nolde (DVU): Die Parolen gleichen sich!

Praktisch alle, die andere als „antideutsch“ beschimpfen, sehen sich selber als „antizionistisch“.
Hier wird also eine Polarität zwischen Antizionismus und Antigermanismus postuliert, d.h. ein absoluter Gegensatz zwischen Juden und Deutschen.
Wer nicht gegen Israel ist, der muß gegen Deutschland sein.
Der „Zionist“ genannte (böse) Jude (oder „Judenfreund“) steht gegen den (guten) Deutschen.
Der Antipode des guten Deutschen ist der böse Antideutsche: das Gegenteil eines Deutschen, ein Verräter und Feind des (deutschen) Volkes.
Dieses Weltbild unterscheidet sich nicht mehr von dem eines Houston Stewart Chamberlain oder eines Alfred Rosenberg!
Man kann daraus mit Fug und Recht die Schlußfolgerung ableiten: wann immer jemand gegen sogenannte „Antideutsche“ zu Felde zieht, dann haben wir es in der Regel mit einem völkischen Nationalisten und weltanschaulichen Antisemiten zu tun. Ob er sich selbst so definiert und das offen zugibt oder ob er es zu kaschieren versucht, weil er sich als „Linker“ mißverstehen will: die Sprache entlarvt sich selbst und die Wortwahl offenbart das dahinter stehende Weltbild.

Quellen:

A24 hxxp://alles-schallundrauch.blogspot.com/2009/10/warnung-alle-verleumder.html
A34 hxxp://www.arbeiterfotografie.com/verband/frankfurt-2009/website-aamst.pdf
B25 hxxp://www.bueso.de/webfm_send/1767
D17 hxxp://www.deutsche-stimme.de/ds/?p=983
H19 Gerhard Hanloser (Hrsg.): Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken, Münster 2004
J10 hxxp://juergenelsaesser.wordpress.com/2009/11/13/blockade-gegen-die-antideutschen/
J11 hxxp://juergenelsaesser.wordpress.com/2009/10/06/stoppt-die-linke-sa/
K27 Robert Kurz: Die antideutsche Ideologie, Münster 2003,
N13 hxxp://www.npd-sachsen-anhalt.de/landesverband/1266.html ,

 

Dieser Beitrag stammt vom Portal “Faschismus2” und steht unter einer Creative Commons Lizenz


10 responses to ““Antideutsche”? Wat is dat denn?

  • Melanie

    Naja, trotzdem fällt es mir sehr schwer mit Antideutschen zu sympathisieren, einfach weil ihre Ansichten teils doch ziemlich in Richtung Faschismus gehen.

    Und eine nicht geringe Anzahl der Antideutschen ist auch islamfeindlich und kollaboriert mit PI, nee damit will ich lieber nichts zu tun haben.

    • NDM

      Das bleibt dir unbenommen. Es geht in diesem Artikel allerdings nicht um die „Antideutschen“ an sich, sondern darum, wie, gegen wen und von wem der Begriff in aller Regel (als Kampfbegriff) verwendet wird.

  • Salome

    Diese Querelen zeigen aber auch ein gerüttelt Maß an Infantilität, oder nicht ? Da gehts nicht um Argumente, sondern ums gegenseitige Niederbrüllen.
    Allein schon die Etikettierungen „Antideutsche“, „Anti-Antideutsche“ und der Steit um Israelfahnen ja oder nein usw. usf.

    Das ist doch nicht viel mehr als verwirrtes Kasperletheater, politische „Ausernandersetzung“ im Pisa-Zeitalter.
    Wenn ich allein schon diesen Flyer sehe: „Anideutschen keine Chance geben“, mit vermummtem Krawallo in selbsgerechter Pose, vergeht mir jede Lust auf Debatten.

  • InitiativGruppe

    Ich hab diesen – faszinierenden – Artikel gelesen und bin vor allem mal verwirrt. Da geht’s ja zu wie in einem Irrenhaus – wer wirft nun wem warum was vor und was meint er jeweils dabei eigentlich und was uneigentlich?

    Ich hab persönlich noch nie einen Antideutschen oder einen Anti-Antideutschen getroffen, jedenfalls nicht wissentlich. Was ist nun eigentlich ein Anti-Deutscher? Vom Wort her würde ich sagen: ein deutscher Anti-Nationalist, ein Deutscher also, der kein Deutscher sein will, sondern … ja mei, irgendwas anderes. Ein Deutscher, der gegen alles protestiert, was irgendwie nationalistisch Deutsch riecht.

    Aber es scheint ja nun, wenn man den Artikel liest, auch Leute zu geben, die Anti-Deutsche UND deutsche Nationalisten sind? Wie geht denn jetzt das?

    Und sind die Anti-Anti-Deutschen nun gegen die Anti-deutschen Anti-Nationalisten oder gegen die Anti-deutschen Nationalisten?

    Und wenn ich dich, kruppzeuch, richtig verstanden habe, bist du ein Anti-Anti-Anti-Deutscher, irgendwie, wobei zu klären wäre, welches der Antis eigentlich und welches uneigentlich gilt.

    Vielleicht, lieber Autor, bastelst du mal ein Schema: ich bin ein Augenmensch.

    Wozu zähle ich in diesem Irrgarten? Ich sehe mich 1. als deutscher Patriot, 2. als kosmopolitisch fühlender Mensch, 3. als Gegner des Zionismus, 4. als Judenfreund, 5. als Muslimfreund.

    Weil ich nun Antizionist bin, also grundsätzlich Israels Siedlungspolitik ablehne, bin ich — was? Ein antisemitischer Anti-antideutscher Nationalist und Dhimmi, der sich zur Tarnung die Maske des Judenfreunds und Kosmopoliten aufsetzt?

    Ich glaube, ich sollte diesen Artikel noch einmal lesen. Ich hab da wohl einiges nicht richtig verstanden.
    Oder lebe ich in einem anderen Universum, und da bedeuten die Worte alle etwas anderes als in diesem Antideutsch-AntiAntideutsch-Universum? Dann hülfe auch eine zweite Lektüre nichts.

    • NDM

      Ich bin nicht der Autor des Textes. 🙂

      Ich habe ihn online gestellt, weil ich selbst von mehreren Seiten als „Antideutscher“ tituliert wurde. Aus einem einzigen Grund: Ich hatte mich vom Flotillen-Thema nicht aufhetzen lassen und bin gegen die Empörungswelle geschwommen. Das war ein schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

      Der Beitrag erklärt, wie schnell man in diese Schublade gerät.

      Das Urteil „antideutsch“ kann jeden treffen, der es wagt, sich öffentlich in irgendeiner Weise gegen Nationalismus, Rassismus, Verschwörungstheorien und Antisemitismus zu positionieren.

      Schau mal auf der anderen Seite bei PI nach diesem Begriff:

      http://www.google.de/search?q=site%3Api-news.net+Antideutsch

      Jeder, der den PIschen Rassismus ablehnt, oder schlimmer noch: öffentlich kritisiert, ist dort ein Antideutscher. Bei Altermedia das gleiche. Wer den Nationalsozialismus ablehnt, ist dort ein Antideutscher. Auf Parteibuch-Websites ist jeder, der den Staat Israel nicht ablehnt, oder schlimmer noch: ihn öffentlich nicht ablehnt, ein Antideutscher. Und ein Faschistoider, Rechtsradikaler und Nazi noch dazu. Nicht-Israelablehner sind Antideutsche, und Antideutsche sind Nazis. Irgendwie. Umgekehrt können Israelhasser demnach keine Nazis sein. Was aber Unsinn ist:
      http://npd-blog.info/2010/06/04/israel-npd-200/

      Aus der Perspektive dieser Leute sind auch solche Artikel Antideutsch:
      http://npd-blog.info/2010/05/30/esc-000l-punkte-israel-lena/
      (Man staune über die dortigen Kommentare von „Julia“)

      Oder dieser:
      http://npd-blog.info/2010/04/21/kommunisten-rap-100%E2%80%9D-aus-gutersloh/
      Oder dieser:
      http://npd-blog.info/2010/02/02/npd-linksfraktion-israel-102/

      Und diese Website ist ebenfalls antideutsch:
      http://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/
      Und das Präsidium ja sowieso:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Israelische_Gesellschaft#Pr.C3.A4sidium

      Ich hoffe, die Funktion dieses Begriffs ist deutlich geworden. Der Begriff „Antideutsch“ ist funktionell dem Begriff „Rote Socke“, „Zecke“ oder „Gutmensch“ ähnlich.

      • InitiativGruppe

        Danke für die Klarstellung. Und für die Vorwarnung.

        ICH wäre also ein Antideutscher (für PI & Co), weil ich Israels Politik feindselig gegenüberstehe, DU wärst ein Antideutscher (für diejenigen am andern extremen Ende des Spektrums), weil du Israel eher mit Sympathie gegenüberstehst (eine Haltung, die ich respektiere, solange keine Befürwortung der Siedlungspolitik damit verbunden ist).

        Glücklicherweise sind die Extremisten beider Seiten politisch bedeutungslos, ihre Etikettierungsversuche damit auch.

  • Salome

    Es zeigt eigentlich nur dass die radikale Linke verbohrt und reaktionär ist und sich von überkommenen Dogmen nicht lösen kann. Und das führt in einer neuen politischen Weltlage zu völlig absurden Scharmützeln.

    Während die Linksradikalen sich den klassischen Faschisten ideologisch immer weiter annähern, bezeichnen sie weiterhin alle Gegner als Nazis. Demnach sind Israelfreunde für sie Nazis, während die NPD auf ihrer Seite steht.

    Eine Bestätigung ist dies freilich für all diejenigen, die in Kommunisten und Faschisten immer schon ein und dieselbe freiheitshassende Sauce erkannt zu haben glaubten.

  • Glanzor

    Was für ein wirrer Artikel. Er ist vor allem deshalb so widersprüchlich, weil er im Grunde zwei unterschiedliche Bedeutungen dieselben Wortes durcheinanderbringt, das etwas anderes meint, je nachdem, ob es von Linken oder Rechten benutzt wird.

    In der linken Szene bezieht sich das in der Regel auf die sich selbst so bezeichnende linke Subströmung, die, anders als hier behauptet wird, alles andere als unbedeutend sind und nämlich durch ihren Konflikt mit der entsprechenden Gegenströmung, den sogenannten „Antiimperialisten“, jegliche außenpolitische Debatten der Radikalen Linken in den Neunzigern und bis in die ersten Jahre des neuen Jahrtausends hinein in umfangreichen Ausmaß beherrscht haben.
    Natürlich sind das Antideutschen-Bashing in der heutigen Linke zumindest zu einen großen Teil Phantomdebatten, da diese Strömung in letzter Zeit stark an Einfluss verloren hat. Aber die Streitereien von einst wirken eben bis heute nach und in einigen Städten gibt es auch tatsächlich noch relativ große und laute antideutsche Grüppchen.

    Auf der anderen Seite steht die Benutzung des Begriffes bei der Rechten. Hier ist es viel weniger kompliziert: Wenn man deutscher Nationalist ist, glaubt man eben, die deutsche Sache zu vertreten und dann sind die eigenen Feinde eben auch die Feinde Deutschland und aller Deutschen, also Antideutsche.

    Der von dir zitierte Schreiberling vermischt die beiden Definitionen, kommt dadurch zu so absurden Schlussfolgerungen wie der, dass „Antideutschen“ sowohl mangelder Nationalismus als auch zu hoher Rassismus vorgeworfen wird und dadurch natürlich zu dem Ergebniss, dass es sich bloß um einen leeren Kampfbegriff handelt. Das stimmt aber so nicht umbedingt, es kommt eben auf den Kontext an, in dem er benutzt wird.

    Nun wundert es mich aber nicht, dass du dich durch diesen Artikel angesprochen fühlst. Ich sehe immerhin, dass du in letzter Zeit viel von einem oder mehreren querfrontlerischen Polittroll(en) „beehrt“ worden bist und in diesem Milieu verschwimmen die beiden Begriffsverwendungen naturgemäß. Nur sind diese Clowns eben tatsächlich nahezu bedeutungslos, in den meisten Fällen der Verwendung dieses Wortes dürfte das anders bemeint sein.

    • NDM

      Danke für den Kommentar.

      Ich halte den Begriff dennoch allein schon aufgrund der Mehrfachbenutzbarkeit für ein eigenes Diskussionsthema. Es gibt unterschiedliche Strömungen, die mit diesem Begriff unterschiedliches meinen. All diesen Strömungen gemeinsam ist aber, dass sie „Antideutsche“ dort wittern, wo jemand Partei für Israel ergreift. Allerdings muss man dazu sagen, dass solche Reflexe auf linker Seite wirklich weniger ausgeprägt sind. Aber es gibt sie. Besonders dann, wenn man Kritik an linken in Bezug auf Israel übt.

      • Glanzor

        „All diesen Strömungen gemeinsam ist aber, dass sie „Antideutsche“ dort wittern, wo jemand Partei für Israel ergreift.“
        – Richtig, aber mit unterschiedlichen ideologischen Hintergründen.

        Der entscheidende Punkt des Antideutschenbildes von Rechten und Querfrontlern ist ja der, dass der Israelbezug auf einen angenommenen deutsch-israelischen Interessengegensatz beruht.
        Bei den linken „Antideutschengegnern“ ist das nicht gegeben. Der Deutschland-Bezug im Namen berut auf einer Selbstbezeichnung, der Israelbezug in der Anwendung auf der üblichen Praxis der sich so betitelnden Gruppen. Die Antideutschen waren eben jahrelang die einzige größere linke Gruppe, die sich als Vertreter israelischer Interessen aufgespielt hat. Darum riechen viele Linke überall, wo fernab alter rechtsliberaler Positionen Kritik an den klassischen linken Standpunkten bezüglich Israel geübt wird, eben deren Angehörige. Aber die wenigsten „Anti-Antideutschen“ sind prodeutsch.

        Oder um mal auf den Punkt zu bringen, was ich sagen will: Dass Rechte dich als Antideutschen bezeichnen, wenn du gegen sie eine Lanze für Israel brichst, ist ideologisch bedingt, bei den Linken liegt es bloß an einen mangelnden Differenzierungsvermögen. Ich denke, das ist ein entscheidender Punkt, wenn man mit solchen Polemiken umgehen muss, der von dir zitierte Artikel tut aber großtenteils so, als wäre das alles das selbe.

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